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Variieren und improvisieren in der Volksmusik

Lieber Harmonikafreund,

wenn man damit begonnen hat die Steirische Harmonika zu erlernen, ist es für einen erst einmal nur wichtig, dass man die spieltechnischen und musikalischen Grundlagen kennenlernt. Das ist der richtige Umgang mit dem Balg, das Lesen können der Griffschrift, das Verstehen der musikalischen Grundbegriffe und das beidhändige Spielen von einfachen Stücken.

Hat man diese ersten Hürden genommen kann man es kaum erwarten neue Griffe und Stücke zu erlernen und dass es schnell so weitergeht. Ich bin mir sicher, dass du dich noch ziemlich genau erinnern kannst wie es dir am Anfang so ergangen ist, nicht wahr?

Wenn du das Harmonikaspiel nach Griffschrift erlernt hast, konzentrierst du dich vermutlich auch vorwiegend auf die Noten und dass du diese möglichst korrekt wiedergibst. Es fiel dir, so wie den meisten Harmonika-Anfänger, sicherlich wesentlich leichter ein dir bekanntes Stück oder Lied zu erlernen als ein Unbekanntes. Vermutlich erging es dir dabei ebenso, wenn du ein Stück auswendig lernen wolltest.

Die Griffschrift ist aus meiner Sicht die schnellste und beste Möglichkeit die Steirische Harmonika zu erlernen, vor allem für Spätberufene ohne musikalischen Vorkenntnissen, aber auch für Umsteiger von anderen Instrumenten.

Was allerdings bei notierten Stücken, egal ob Klangschrift oder Griffschrift, zu kurz kommt, sind die Variationen (Veränderungen) z.B. bei Wiederholungen oder Schlüssen. Gerade in der alpenländischen Volksmusik war und ist das Variieren und Improvisieren von je her sehr stark ausgeprägt und hat eine lange und regional unterschiedliche Tradition.

Denk doch nur einmal zurück an jene Zeit bevor die ersten Lehrbücher veröffentlicht wurden. Damals wurden Musikstücke ausschließlich nach Gehör, also auswendig vom Lehrer an den Schüler weitergegeben. Dass hierbei unterschiedliche Versionen von ein und demselben Musikstück heraus kamen war nur allzu verständlich.

Weil sich der Schüler durch diese Lernweise in erster Linie auf sein Gehör konzentrierte, übernahm er neben dem musikalischen Ablauf (Griffe, Melodie, Rhythmik, Artikulation) auch ganz automatisch die Interpretations- und Spielweise seines Lehrers. So konnte man oft und rasch erkennen, bei wem ein Spieler im Unterricht war.

Mit der Griffschrift hat sich das, wie bereits erwähnt, etwas verändert. Dieser mehrteilige Workshop soll dir ein paar Anregungen geben, wie du den gespielten Musikstücken durch variieren und improvisieren deine eigene persönliche Note verleihen kannst. Auch wenn ich die Beispiele möglichst einfach gestalten werde, benötigst du einiges an Spielerfahrung im Lagenspiel und Auswendigspiel.

Im 1. Teil dieses Workshops möchte ich mich mit dem Oktavieren von einstimmigen Melodien und zweistimmigen Melodien in Terzen befassen.

Das Geheimnis der alpenländischen Volksmusik liegt in ihrem einfachen harmonischen Aufbau. In Kombination mit der genialen Bauweise und Tastenbelegung der Steirischen Harmonika ist es möglich mit wenigen Tasten bereits tausende Lieder und Stückln spielen zu können.

Den Beweis dafür lieferte Florian Michlbauer Anfang der 2000er Jahre, als er eine Notenserie mit dem Titel „500 Lieder auf 15 Tasten“ damals noch beim Koch Musikverlag veröffentlichte.

Im Band 1 dieser zwischenzeitlich vergriffenen Taschenbuch-Serie waren 100 Lieder auf sogar nur 5 Tasten (2. Reihe Grundstellung) enthalten. Natürlich waren die Stückln speziell dafür bearbeitet und teilweise gekürzt bzw. vereinfacht und trotzdem zeigte die Serie auf was sonst auf keinem anderen Instrument so möglich war, nämlich mit so wenigen Tasten so viel Musik zu machen.

Wie kannst du jetzt aber ganz einfach, Stücke trotzdem farbig machen?

Eine Möglichkeit besteht darin, die Melodien in einer anderen Oktave zu spielen. Dazu schauen wir uns zuerst die Melodieseite der Harmonika an.

Aufteilung der Melodieseite in drei Oktavräume

Die Grundtöne (auf Druck) jeder Reihe sind farblich markiert.
So ergeben sich folgende Oktavräume:

Tiefe Oktave
In der Michlbauer Griffschrift umfasst dies die TL(unten) – TL

Mittlere Oktave
In der Michlbauer Griffschrift umfasst dies die UL – GS

Obere Oktave
In der Michlbauer Griffschrift umfasst dies die ML – OL – OL(oben)

Bei mehrstimmigen Spielen entstehen bei den Oktavräumen natürlich Überschneidungen mit den verschiedenen Lagen. Daher gehe ich bei dieser Erklärung von der einstimmigen Tonleiter aus.

Bevor du mit den Übungsstücken beginnst, solltest du zuerst die 1- und 2-stimmige Tonleiter in den verschiedenen Oktavräumen üben. Zuerst anhand der Griffschrift und dann auswendig spielen. Präg dir dabei unbedingt den richtigen Fingersatz ein, weil dieser sich bei den Stücken wiederholt.

1-stimmige Tonleiter Tiefe Oktave

Spiel die Tonleiter zuerst ohne Begleitung und achte auf den angegebenen Fingersatz.
Du kannst diesen Fingersatz auch auf die 3. Reihe übertragen und ebenfalls spielen.

1-stimmige Tonleiter Mittlere Oktave

Du kannst auch in der mittleren Oktavebeginnen die Tonleiter zu üben und erst danach in die tiefe und obere Oktave wechseln.

1-stimmige Tonleiter Obere Oktave

Durch die Tonhöhe ist die Tonleiter in der oberen Oktave besonders heikel.
Spiele daher sehr exakt und mit einer gleichmäßigen Balgführung.

Übern See - in verschiedenen Lagen

Dieses einfache Volkslied in der 1-stimmigen Version kannst du in allen drei Oktavräumen spielen.
Achte darauf, dass deine rechte Hand nach dem Lagenwechsel wieder in einer stabilen Position bleibt.
So wird es dir rasch gelingen das Lied in jeder Lage fehlerfrei und mit einer guten Treffsicherheit zu spielen.

Literaturempfehlung:

Hier liegt der Schwerpunkt beim Lagenspiel. Anhand einfacher Tonfolgen erlernst du Melodien in verschiedenen Lagen zu spielen.
Damit bringst du mehr Klangfarbe und Abwechslung in deine Musikstücke.

Übern See - Variationen mit verschiedenen Lagen

Um deine Flexibilität und Treffsicherheit weiter zu erhöhen wird bei der nächsten Übung mit den Variationen nicht mehr das ganze Lied innerhalb einer Oktave gespielt, sondern nach
jeder Phrase, also alle vier Takte, die Oktave, bzw. die Lage gewechselt.

Lernen diese Melodie am besten auswendig und erfinde weitere Oktavierungsvarianten.

Boarischer

Dieses Boarische Thema kannst du ebenfalls in den verschiedenen Oktavräumen spielen.
Sei erfinderisch und kombiniere selbst die Lagen. Mach die Oktavsprünge 4-taktig.
Das ist eine gute Übung und macht musikalisch auch Sinn.

Suchen weitere Stücke, oder lass dir einfache einstimmige Melodien einfallen und spiele diese in den verschiedenen Oktaven. Achte darauf, dass du Anfangs nur Melodien mit I. und V. Stufe (nur Druck/Zug ohne Reihenwechsel) verwendest und dass der Tonumfang innerhalb

Im zweiten Teil der Workshops erfährst du noch mehr über die Intervalle und das Spielen von 2-stimmigen Variationen in Terzen und Sexten.

Bis dahin wünsche ich dir viel Spaß beim Improvisieren.

Entdecke deine musikalischen Fähigkeiten!

Dein,
Johannes Petz

Hannes Portraitbild

Workshop als Download: